1. Das Gericht ist verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn das Gericht die Substanziierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben.
2. Zur Schlüssigkeit der Höhe eines Vergütungsanspruchs für geänderte Leistungen aus § 2 Abs. 5 VOB/B.

Der klagende Auftragnehmer wurde mit Kampfmittelräumungsarbeiten auf einem seit 1891 genutzten Truppenübungsplatz beauftragt. Auf einer Teilfläche von 368.556 qm konnten die Störkörper wegen Bodenverfestigung aufgrund jahrelanger Befahrung mit Panzern nicht händisch geborgen werden, sondern mussten mit einem Spezialbagger freigelegt werden. Der Auftragnehmer beanspruchte für den Mehraufwand einen Betrag von 335.385,96 Euro netto auf Grundlage eines Einheitspreises von 0,91 Euro/qm. Der Auftraggeber akzeptierte lediglich einen Einheitspreis von 0,28 Euro/qm und „kürzte“ den Nachtrag um 276.306,43 Euro brutto. Das OLG Naumburg wies im Berufungsverfahren die Klage wegen dieses Betrags ab. Der Nachtrag sei zwar ebenso wie seine grundsätzliche Berechnung aus § 2 Abs. 5 VOB/B unstreitig. Unstreitig sei auch die Gesamtstundenzahl für den Einsatz des Spezialbaggers. Die Parteien stritten lediglich darüber, welche Einsatztage (d) bereits in anderen Leistungspositionen enthalten und daher nicht nochmal ansatzfähig seien. Der Auftragnehmer habe die Berechnung des Abzugs von lediglich 166,76 d gegenüber vom Auftraggeber errechneten 546,8 d nicht nachvollziehbar dargelegt.

Der BGH hob das klageabweisende Urteil des OLG hinsichtlich dieser Position auf. Das OLG habe – so der BGH – mit seiner Begründung den Anspruch des Auftragnehmer auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Parteien zu erfassen und zu bescheiden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt auch vor, wenn das Gericht die Substanziierungsanforderungen offenkundig überspannt und es daher versäumt, die gebotenen Beweise zu erheben. Entgegen der Auffassung des OLG ist die Berechnung des Auftragnehmers schlüssig. Beide Parteien haben ihrer Berechnung der auf die anderen Positionen entfallenden Einsatzzeiten des Baggers das diese betreffende „Kalkulationsblatt unter Berücksichtigung der EFB-Preise“ zu Grunde gelegt. Der Vortrag des Auftragnehmers, die vom Auftraggeber errechnete Stundenzahl müsse um den Faktor 3,25 gekürzt werden, weil die im Kalkulationsblatt enthaltenen Werte sich nicht nur auf den Spezialbagger bezögen, sondern auch die für den Baggereinsatz erforderlichen Personalstunden für den Suchtrupp (2,25 Personen) enthalten, ist ebenso schlüssig und rechnerisch nachvollziehbar wie die alternative Ableitung aus den in Spalte N des Kalkulationsblatts enthaltenen Gerätekosten auf Grundlage des genannten Stundensatzes von 17,75 Euro. Das OLG hätte daher den für die Bemessung des Einheitspreises angebotenen Sachverständigenbeweis erheben müssen.

Da die Parteien sich nicht nur über die Berechtigung des Nachtrags einig waren, sondern auch über dessen grundsätzliche Berechnung, musste der BGH zu der nach wie vor nicht abschließend geklärten Frage, wie der Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B zu bemessen ist, nicht Stellung nehmen. Daher ist weiterhin offen, ob sich der angepasste Preis bei geänderten oder zusätzlichen Leistungen ohne entsprechende Einigung der Parteien wie bei § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge errechnet (vgl. BGH, Urteil vom 08.08.2019 – VII ZR 34/18)