1. Die Planungsleistung eines Ingenieurs hat den anerkannten Regeln der Technik (a.R.d.T.) zu entsprechen, sofern die Vertragsparteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben.
2. A.R.d.T. sind diejenigen technischen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen, sowie insbesondere in dem Kreis der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind.
3. A.R.d.T. können in DIN-Normen niedergelegt sein, wobei aber DIN-Normen insbesondere nicht als Rechtsnormen zu qualifizieren sind, sondern lediglich als private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter.
4. Die DIN 18015-2 (Elektrische Anlagen in Wohngebäuden – Teil 2: Art und Umfang der Mindestausstattung) ist ihrem Regelungsgehalt nach nicht geeignet, die Vermutungswirkung, a.R.d.T. zu sein, für sich in Anspruch zu nehmen.

Ein Bauunternehmen plante zusammen mit einem Planungsbüro die technische Gebäudeausrüstung. Um Kosten zu sparen, wurde vereinbart, der in DIN 18015-2 beschriebene Standard hinsichtlich der Anzahl von Steckdosen zu unterschreiten. Nach der Ausführung rügte der Bauunternehmer dies gegenüber dem Planungsbüro. Die a.R.d.T. seien als Mindeststandard nicht eingehalten. Der Bauunternehmer machte einen Schaden i. H. v. über 1 Mio. Euro geltend.

Ohne Erfolg – so das OLG Düsseldorf! Der Bauunternehmer und das Planungsbüro seien sachkundig und haben gemeinsam die – dann auch gebauten – Beschaffenheiten entwickelt, die von DIN 18015-2 abwichen. Weiterhin ist diese Norm nicht als a.R.d.T., sondern lediglich als Handlungsempfehlung anzusehen. Daher liegt kein Mangel vor, der einen Schadensersatzanspruch begründet.

Die Entscheidung ist nicht unproblematisch. Das Urteil stellt einmal mehr klar, dass DIN-Normen nicht von vornherein den werkvertraglichen Mindeststandard regeln. Sie sind grundsätzlich erst einmal „nur“ Handlungsempfehlungen. Das entspricht den Grundsätzen der Normungsarbeit (vgl. DIN 820). Immanenter Bestandteil von Regeln ist deren wissenschaftlich-theoretische Richtigkeit. Dennoch ist die in den Leitsätzen angeführte Definition zur a.R.d.T. sehr bedenklich. Nur in wenigen Fällen ist die wissenschaftlich-theoretische Notwendigkeit von Regeln nachgewiesen. Und es dürfte weder eine einheitliche Meinung oder gar Überzeugung in (welchen?) Kreisen von Fachleuten geben, noch Meinungen, die in Fachkreisen technische Sachverhalte beeinflussen können. Auch ist die Entwicklung der Bautechnik schneller als jede Praxisbewährung nachgewiesen werden könnte. Regeln haben wohl Technik zu folgen und nicht umgekehrt. Die Definition des OLG Düsseldorf der a.R.d.T. dürfte zu einem willkürlich einsetzbaren „Prüfmaßstab“ führen, weil in Streitfällen mindestens eines der o. a. Kriterien nicht nachgewiesen und damit jeder Bauschaffende mit der Behauptung einer Mangelhaftigkeit überzogen werden kann. In sehr vielen Fällen beschreiben Normen einen höheren Standard, der für die Verwendungseignung nicht notwendig ist. Wenn aber der für die Verwendungseignung nötige Mindeststandard unterschritten wird, trifft das auch für a.R.d.T. zu. Anders liegt es bei DIN-Normen (aber auch VDE), die nicht für die Verwendungseignung (inkl. Sicherheit) Notwendiges beschreiben, sondern Komfortstandards. Werden diese unterschritten, funktioniert das Werk ebenso wie bei Einhaltung, wenn auch bei einem geringeren Komfort. Darauf kann man sich verständigen.