Tauwetter im März

Themen

  • Zulässige Übertragung des Baugrundrisikos vom Auftraggeber auf den Auftragnehmer
  • Schlusszahlung als konkludente Abnahme und Umfang der Mängelbeseitigungskosten
  • Arbeitseinstellungs- und Kündigungsrecht wegen grundlos verweigerter Nachtragsvergütung
  • Auftragnehmerkündigung wegen Zahlungsverzuges
  • Auftraggeberkündigung wegen unberechtigter Androhung, langsamer zu arbeiten
  • Prüfungs- und Hinweispflicht – Haftungsverteilung zwischen Unternehmer/Bauüberwacher und Bauherr
  • Sicherungsrecht/Gewährleistungsbürgschaft

Zulässige Übertragung des Baugrundrisikos vom Auftraggeber auf den Auftragnehmer

Thüringer OLG Jena, 25.5.2010, 5 U 622/0 und zuvor OLG Brandenburg, 6. Juli 2008, 4 U 187/07, NZBau 2009, 181:
  1. Liegt eine vertragliche Abwälzung des Baugrundrisikos auf den Auftragnehmer für den Bau einer Autobahnbrücke vor, so übernimmt er auch die umfassende Pflicht zum Erstellen eines Traggerüsts nach den statischen, konstruktiven und sicherheitstechnischen Erfordernissen einschließlich des Aufstellens der statischen Berechnungen und der Ausführungspläne, wenn dies in der Baubeschreibung (hier: für ein Traggerüst) so vorgesehen ist.
  2. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Auftraggeber zuvor ein Baugrundgutachten eingeholt hatte, wenn der Auftragnehmer laut Baubeschreibung und Leistungsverzeichnis die örtliche Bestimmung für das Traggerüst zu treffen hatte und keine Vorgabe existiert hat, wo das Traggerüst aufgestellt werden sollte.
  3. Verwirklicht sich in diesem Fall das Baugrundrisiko, steht dem Auftragnehmer ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung nur zu, wenn die Erschwernisse für ihn unvorhersehbar waren, was nicht der Fall ist, wenn sie für den Auftragnehmer als Fachunternehmen auf Grund einer Inaugenscheinnahme oder einer lückenhaften Ausschreibung erkennbar waren

 Schlusszahlung als konkludente Abnahme und Umfang der Mängelbeseitigungskosten

OLG Stuttgart, 15.11.2011, 10 U 66/10:
  1. Einer Zahlung (gemeint  ist die Schlusszahlung, nicht die Abschlagszahlung) ist nur dann als stillschweigende Abnahme zu deuten, wenn der Besteller zuvor die Gelegenheit hatte, das Werk auf seine vollständige und vertragsgerechte Herstellung zu untersuchen. Ohne die Möglichkeit einer Prüfung des Werks durch den Besteller kann der Auftragnehmer redlicherweise nicht erwarten, dass sein Werk mit der Zahlung abgenommen sein soll (Abgrenzung OLG Stuttgart , Urteil vom 21. April 2009, 10 U 9/09).
  2. Beim Anspruch auf Erstattung von Mangelbeseitigungskosten trägt der Besteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, welche Leistungen nach der Kündigung ausgeführt wurden und wie hoch die mangelbedingten Mehrkosten sind.

Hat der Auftraggeber keinen Anlass, dem Gutachten eines Sachverständigen zu misstrauen, kann er die von ihm vorgeschlagene Mängelbeseitigung durchführen und deren Kosten geltend machen. Der Besteller kann nicht auf die niedrigere Kostenschätzung eines Sachverständigen verwiesen werden, wenn tatsächlich höhere Aufwendungen erforderlich waren.

Der Kostenerstattungsanspruch umfasst Aufwendungen für vertraglich vom Unternehmer nicht geschuldete Leistungen nicht, soweit der geschuldete Erfolg mit den vom Unternehmer vorgesehenen Materialien und der vorgesehenen Konstruktion erreicht werden kann.

Arbeitseinstellungs- und Kündigungsrecht wegen grundlos verweigerter Nachtragsvergütung

OLG Schleswig, 11.3.2011, 5 U 123/08:
  1. Weist der Auftraggeber jedenfalls teilweise berechtigte Mehrkostenforderungen zurück, so kann dies den Auftragnehmer zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen. An der für ein Kündigungsrecht vorausgesetzten Gefährdung des Vertragszwecks fehlt es aber dann, wenn die Mehrkosten geringfügig sind, d.h. lediglich ca. 1% der Nettovertragssumme betragen.
  2. Eine Kündigung aus wichtigem Grund muss innerhalb einer angemessenen Frist seit Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden. Eine erst zwei Monate nach Zurückweisung der Mehrkostenforderung erklärte Kündigung ist insbesondere dann verfristet, wenn der Auftragnehmer bereits zuvor mehrfach Mehrkosten eingefordert hatte, die der Auftraggeber jeweils zurückgewiesen hatte.

 Auftragnehmerkündigung wegen Zahlungsverzuges

OLG Koblenz, 19.7.2012, 5 U 178/12:

Hat der Auftragnehmer den öffentlichen Auftraggeber nach Erteilung von Abschlagsrechnungen über einen Zeitraum von ca. zwei Monaten mehrfach gemahnt, so stellt es keine unangemessen kurze Fristsetzung dar, wenn er eine letzte, mit Kündigungsandrohung verbundene Zahlungsfrist von fünf Tagen setzt und den Vertrag unmittelbar nach Fristablauf kündigt.

Auftraggeberkündigung wegen unberechtigter Androhung, langsamer zu arbeiten

OLG München, 22.2.2011, 9 U 1731/10

Kündigt der Auftragnehmer im Rahmen der Erstellung einer Stahlkonstruktion an, die Personalstärke (Montagepersonal) erheblich zu reduzieren, wenn der Auftraggeber nicht kurzfristig (innerhalb von 24 Stunden) eine erhebliche Abschlagszahlung leistet, so stellt dies eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar, wenn dem Auftragnehmer weder ein Anspruch auf die Abschlagszahlung noch auf eine Verkürzung der vereinbarten Zahlungsziele zusteht. Bei einem derart schweren Vertragsverstoß ist der Auftraggeber zur außerordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grunde berechtigt.

Prüfungs- und Hinweispflicht – Haftungsverteilung zwischen Unternehmer/Bauüberwacher und Bauherr

OLG München, 17.7.2012, 13 U 658/11 Bau
  1. Grundsätzlich ist es nicht die Aufgabe eines Vorunternehmers, auf eine hineichende Koordinierung der nachfolgenden Arbeiten hinzuwirken. Ein Vorunternehmer hat aber einen Nachunternehmer darauf hinzuweisen, dass nach Aufbringung des Wärmedämmverbundsystems ein regensicherer Anschluss auf die untere Abdichtung nicht mehr angebracht werden kann.
  2. Liegt der Verantwortungsteil des planenden Architekten bei 60 % und der des Vorunternehmers bei 5 %, so tritt bei wertender Betrachtung und Berücksichtigung aller Umstände der Mitverantwortungsteil des Vorunternehmers hinter dem des Architekten vollständig zurück.
  3. Der Bauherr muss sich dieses Verschulden seines Architekten gem. §§ 254, 278 BGB zurechnen lassen.

Sicherungsrecht/Gewährleistungsbürgschaft

OLG Hamm, 26.7.2012, 24 U 41/12
  1. Zur Mehrfachverwendungsabsicht im Rahmen der Prüfung, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen, sofern die möglichen Verwendungen der Klausel in größerem zeitlichen Abstand erfolgt sind.
  2. Der Sicherungszweck einer Gewährleistungsbürgschaft entfällt nicht schon dadurch, dass der Auftraggeber in einem Vorprozess rechtskräftig zur Zahlung von Werklohn lediglich Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung verurteilt worden ist.
  3. Der Ablauf der vereinbarten Sicherungszeit steht der Pflicht des Auftragnehmers zur Stellung der Gewährleistungsbürgschaft nicht entgegen, sofern die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft vor Fristablauf vorlagen.
  4. Ist dem Auftraggeber ein eigener Anspruch auf Erteilung einer Gewährleistungsbürgschaft eingeräumt worden, kann anders als beim Austauschrecht gemäß § 17 VOB/B grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Stellung der Bürgschaft unter der Bedingung vereinbart worden ist, dass der Auftraggeber den restlichen ausstehenden Werklohn zahlt (Abgrenzung zu BGH NJW 1997, 2958).