1. Der Zurechnungszusammenhang zwischen einem Ausschreibungsfehler des Planers (hier: produktspezifische Ausschreibung) und Schäden des Bauherrn infolge der Durchführung eines Vergabenachprüfungsverfahrens fehlt, wenn das Nachprüfungsverfahren nicht durch den Ausschreibungsfehler, sondern einen vergaberechtswidrigen Verstoß gegen des Verhandlungsverbot vom Bauherrn veranlasst wurde. Jedenfalls ist ein ganz überwiegendes Mitverschulden des Bauherrn anzunehmen. 

2. Der Planer ist ausschließlich für die Erstellung eines (vergaberechtskonformen) Leistungsverzeichnisses verantwortlich, nicht für eine umfassende vergaberechtliche Beratung und sämtliche Entscheidungen im Vergabeverfahren. 

 

Ein Ingenieur wurde vom Bauherrn damit beauftragt, ein Leistungsverzeichniss zu erstellen. Der Ingenieur erstellte das Leistungsverzeichnis. Der Bauherr warf dem Ingenieur vor, dass im Leistungsverzeichnis das Gewerk Sicherheitstechnik betreffend eine Position verdeckt produktspezifisch beschrieben worden sei. Gemäß den gemachten Angaben sei nach den Vorgaben eines bestimmten Produktdatenblattes zu leisten. Der Ingenieur habe den Bauherrn hierauf im daraufhin von einem Bieter eingeleiteten Vergabenachprüfungsverfahren nicht hingewiesen. Das Vergabenachprüfungsverfahren verursachte beim Bauherrn Kosten in Höhe von 50.000 Euro. Der Bauherr verlangte im Wege einer Klage vom Ingenieur Ersatz dieser Kosten und zudem Ersatz für bauliche Mehrkosten von über 2 Mio. Euro, weil das Vergabeverfahren aufgehoben und die Leistung neu ausgeschrieben werden musste. Das Landgericht wies die Klage ab. Dagegen legte der Bauherr Berufung ein.

 

Ohne Erfolg!

 

Nach Ansicht des Kammergerichts bestehe kein Anspruch auf Schadensersatz, und zwar weder gemäß  §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB, noch gemäß anderer „Spielregel“. Eine Haftung – so das Kammergericht – für die Kosten des Nachprüfungsverfahrens kann mangels vorausgesetzten Zurechnungszusammenhang nicht angenommen werden. Der Bauherr habe die Haftungsursache allein bzw. ausschließlich gesetzt. Er habe erkannt, dass das Angebot des günstigsten Bieters nicht den Anforderungen des ausschreibungsgegenständlichen Leistungsverzeichnisses gemäß war und er habe daraufhin – vergaberechtswidrig – mit diesem Bieter verboten nachverhandelt mit dem Ziel, das Angebot „zuschlagsfähig“ zu machen. Der daraufhin – berechtigt – gemachten Rüge des zweitplatzierten Bieters habe er nicht abgeholfen. Das war der Grund dafür, dass dann das folgende Nachprüfungsverfahren Erfolg gehabt haben musste und auch hatte. Das sei im Ergebnis nicht durch die vom Ingenieur im Leistungsverzeichnis angegebene produktspezifische Beschreibung angelegt gewesen. Der für eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Ingenieurs vorausgesetzte Zurechnungszusammenhang sei durch das grob vergaberechtswidrige Vorgehen des Bauherrn unterbrochen worden (vgl. auch BGH, Urteil vom 08.09.2016 – IX ZR 255/13). Jedenfalls wäre die Haftung wegen ganz überwiegenden Mitverschulden des Bauherrn im Sinne des § 254 BGB ausgeschlossen. Das könne – so das Kammergericht weiter – auch nicht deswegen anders bewertet werden, weil der Ingenieur in die Vorgänge eingebunden war. Denn er trug aus den in Leitsatz 2 ersichtlichen Gründen keine Verantwortung. Schließlich bestehe – so wiederum weiter das Kammergericht – auch kein Anspruch auf Ersatz etwaig erhöhter Kosten für die Bauausführung. Im Ergebnis des Vergabenachprüfungsverfahren bestand nicht rechtlich zwingend die Verpflichtung, das Vergabeverfahren aufzuheben und die Bauleistung neu auszuschreiben. Der Bauherr hätte nämlich ohne weiteres den zweitplatzierten Bieter, der das Vergabenachprüfungsverfahren beantragt hatte, bezuschlagen können. So wäre ohne Not ein weiteres Vergabeverfahren mit höheren Angeboten vermeidbar gewesen. Außerdem würde auch in diesem Zusammenhang die vorausgesetzte haftungsrechtliche Kausalität nicht gegeben sein. Und letztendlich würde jedenfalls ein die Inanspruchnahme des Ingenieurs ausschließendes Mitverschulden des Bauherrn vorliegen.

Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, vgl. z. B. auch OLG Stuttgart, Entscheidung vom 30.09.2022 – 10 U 12/22), dass sich Planer durchaus nicht zu unterschätzenden (Haftungs-) Risiken im Zusammenhang mit der vergäbe-, der auch förderrechtliche Tätigkeiten aussetzen. Es sollte insofern besondere Vorsicht walten. Gegebenenfalls ist eine entsprechende Empfehlung an den Bauherrn, entsprechende Expertise z. B. eines Fachanwalts für Vergaberecht einzuholen, ratsam. Und, welche Rechtsdienstleistungen der Planer im Rahmen von Leistungen entsprechend den Leistungsphasen 6 (Vorbereitung der (Bau-) Vergabe) und 7 (Mitwirkung bei der (Bau-) Vergabe) überhaupt im rechtlichen Sinne honorarbegründend (vgl. zu dieser Problematik z. B. OLG München, Beschluss vom 08.12.2023 – 28 U 3311/23) erbringen darf, richtet sollte z. B. anhand der Regelungen der §§ 2, 5 RDG von Fall zu Fall genau beachtet werden.