BGH, Beschluss vom 04.09.2024 – VII ZR 34/24 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

1. Ein Bauwerksmangel kann einen Anscheinsbeweis für einen Bauüberwachungsfehler nur dann begründen, wenn es sich um Bauarbeiten handelt, die einer umfangreichen Bauaufsicht des Architekten bedürfen (hier bejaht für Dachdeckerarbeiten).

2. Die Erschütterung des Anscheinsbeweises bedarf substantiierten Vortrags dazu, wann der bauüberwachende Architekt was kontrolliert hat.

3. Verkörpern sich Planungs- oder Überwachungsfehler im Bauwerk, kann der Auftraggeber Vorschuss zur Vorfinanzierung der Mängelbeseitigungskosten verlangen.

 

Ein Auftraggeber beauftragte einen Architekten in 2011 für den Neubau einer Villa mit den Planungs- und Überwachungsleistungen entsprechend den Leistungsphasen 1 bis 8 der HOAI. Nach Fertigstellung des Baus nahm der Auftraggeber die Architektenleistungen  in 2016 ab. Der Architekt legte seine Schlussrechnung. In 2018 zeigten sich Feuchtigkeitsschäden an der Dachuntersicht, die der Auftraggeber gegenüber dem Architekten anzeigte. Dieser wies die Anzeige zurück. Daraufhin beantragte der Auftraggeber die Beweiserhebung im Rahmen eines selbständiges Beweisverfahrens. Nach dessen Beendigung verklagte der Auftraggeber den Architekten auf Zahlung eines schadensgleichen Vorschusses für die Mängelbeseitigung. Das angerufene Landgericht gab der Klage vollumfänglich statt. Hiergegen legte der Architekt Berufung ein.

Ohne Erfolg!

Der Auftraggeber – so das OLG Köln –  habe einen Anspruch gegen den Architekten auf Zahlung des geltend gemachten Kostenvorschusses. Die Planung der Dachkonstruktion sei mangelhaft. Sie entspreche nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, weil der gemäß der Planung des Architekten zwar gedämmt, jedoch ungeheizt errichtete Spitzboden weder den an einen kalten Dachraum noch den an einen warmen Dachraum zu stellenden Anforderungen genügt. Daneben seien – so weiter das OLG Köln – auch Überwachungsfehler gemacht worden. Die Bauwerksmängel bestehen u. a. darin, dass beide Dampfbremsen an unverputztes Mauerwerk angeschlossen waorden seien, so dass die untere Dampfbremse nicht abgedichtete Durchdringungen durch Rohre und Kabel aufwies, dass die Dachschalung bereits beim Einbau partiell feucht war und, dass die eingebrachten Dampfbremsen nicht den erforderlichen bauaufsichtlichen Verwendungsnachweis hatten. Wegen dieser Baumängel spreche der erste Anschein dafür, dass der Architekt  Bauüberwachungsfehler begangen habe. Diese könnten nur bei Mängeln an Arbeiten angenommen werden, die in jedem Fall einer umfangreichen Bauüberwachung eines Architekten bedürfen. Und genau das – so das OLG Köln – wäre bei den vorliegend streitgegenständlichen Dachdeckerarbeiten, die u. a. die Ausführung von Dampfsperrbahnen und einer Wärmedämmung beinhalteten, der Fall gewesen. Bei solchen Arbeiten handele es sich um schwierige und gefahrträchtige Arbeiten. Die im Prozess festgestellten Ausführungsmängel wären – so das OLG Köln weiter – bei gebotener Überwachung der Dachdeckerarbeiten ohne weiteres erkennbar gewesen. Den Anscheinsbeweis habe der Architekt aber nicht erschüttern können. Es habe hierzu eines detaillierte Vortrag, wann er was kontrolliert habe, bedurft. Der Vortrag habe aber gefehlt. Da sich die Planungs- und Überwachungsfehler im Dach des Bauwerks verkörpert hätten, könne der Auftraggeber im Ergebnis Vorschuss zur Finanzierung der für die Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten vom Architekt verlangen. Der Vorschuss umfasse auch solche Kosten, die für die Beseitigung von Schäden am Dach anfallen werden, die erst infolge der nicht regelgerechten Dachkonstruktion, der nicht luftdicht angeschlossenen Dampfbremsen und der partiell feuchten Teile der Dachschalung entstanden seien.

Das Urteil dürfte der langjährigen allgemeinen Rechtsauffassung entsprechen. Und das Urteil zeigt einmal mehr, dass Architekten durchaus auch im Eigeninteresse gut beraten sind, nicht nur – im Rahmen ihrer Leistungspflichten – den Bauablauf zu dokumentieren (allgemeines Bautagebuch). Sondern sie sollten auch ihre durchgeführten Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen festhalten („Überwachungstagebuch“). Denn ohne solche nachvollziehbare Dokumentation ist es einem Architekten nahezu unmöglich, den von der Rechtsprechung konstruierten Anscheinsbeweis zu erschüttern.