1. Ist die sog. Sekundärhaftung begründet, so führt sie dazu, dass sich der Architekt bzw. der Ingenieur nicht auf die Einrede der Verjährung des gegen ihn gerichteten Gewährleistungsanspruchs berufen darf.
2. Eine Sekundärhaftung des Bauüberwachers kommt insbesondere dann in Betracht, wenn er es nach dem Auftreten einer konkreten Mangelerscheinung unterlässt, deren Ursachen entschieden und ohne Rücksicht auf eine mögliche eigene Haftung nachzugehen, und dadurch dem Bauherrn nicht rechtzeitig vor dem Eintritt der Verjährung der Gewährleistungsansprüche ein zutreffendes Bild der Schadensbehebung zu verschaffen.
3. Die Darlegungs- und Beweislast für die Sekundärhaftung trägt der Auftraggeber.

Stellt ein Architekt oder Ingenieur im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit fest, dass ein Bauausführungsmangel auf einen von ihm zu vertretenden Planungsmangel zurückzuführen ist, so ist er verpflichtet, seinen Auftraggeber hierüber in Kenntnis zu setzen (sog. Sekundärhaftung des Architekten). Naturgemäß wird diese Pflicht in der Praxis freilich seltenst erfüllt. Umso wichtiger ist es, dass ein Auftraggeber die damit zusammenhängende rechtliche Konstruktion kennt, um rechtzeitig seine entsprechenden Ansprüche gegen einen Architekten bzw. Ingenieur geltend zu machen. Vorliegend ist das einem Auftraggeber nicht gelungen.

Worum ging es?

Ein Auftraggeber beauftragte einen Ingenieur mit Planungs- und Überwachungsleistungen der Technischen Ausrüstung bis einschließlich entsprechend Leistungsphase 9 (HOAI 1996) für die Errichtung eines Blockheizkraftwerks. Nachdem die Anlage verschiedene Mängel zeigte, verklagte der AG neben dem bauausführenden Unternehmen auch den Ingenieur auf Schadensersatz. Der Ingenieur hafte – so die Ansicht des Auftraggebers -, weil u. a. die Objektüberwachung mangelhaft gewesen sei. Das Landgericht wies die Klage allerdings ab, weil der geltend gemachte Anspruch verjährt sei. Dagegen legte der Auftraggeber Berufung ein. Er begründete diese damit, dass die Verjährung nicht eingetreten, sei weil ein unverjährter Sekundärhaftungsanspruch bestehe.

Ohne Erfolg!

Das OLG Naumburg bestätigt die vorinstanzliche Entscheidung. Die  Klage sei zu Recht wegen Verjährung der Mängelhaftungsansprüche abgewiesen – so as OLG! Das Gericht setzte sich detailliert mit dem Beginn und Ende der Verjährungsfrist auseinander, um sich dann der Frage zu widmen, ob die Berufung auf die Einrede der Verjährung wegen der sogenannten Sekundärhaftung des Ingenieurs ausgeschlossen sei. Anknüpfungspunkt für die Sekundärhaftung sei die Sachwalterstellung des Architekten/Ingenieurs gegenüber dem Bauherrn. Diese verpflichte dazu, dem Bauherrn im Laufe der Mängelursachenprüfung auch Mängel des eigenen Werks offen zu legen, damit der Bauherr seine Auftraggeberansprüche auch gegen den Bauüberwacher rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung geltend machen könne. Dem umfassend mit der Bauüberwachung beauftragten Architekten/ Ingenieur obliege im Rahmen seiner Betreuungsaufgaben nicht nur die Wahrung der Auftraggeberrechte gegenüber dem Bauunternehmer, sondern auch und zunächst die objektive Klärung von Mangelursachen, selbst wenn zu diesen eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehörten. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Auftraggeber habe vorliegend allerdings nicht ausreichend dargetan, damit das Gericht die Voraussetzungen Sekundärhaftung annehmen müsse.

Ob die Grundsätze der Sekundärhaftung in diesem Fall überhaupt Anwendung finden konnten, hätte angesichts der Stellung des Ingenieurs als Fachplaner der Technischen Ausrüstung hinterfragt werden können. Der BGH hat der Anwendung dieser Grundsätze auf Sonderfachleute einen Riegel vorgeschoben (BGH, Urteil vom 28.07.2011 – VII ZR 4/10, Leitsatz: „Die zur Sekundärhaftung des Architekten entwickelten Grundsätze sind grundsätzlich nicht auf Sonderfachleute anwendbar.“). Ungeachtet dessen sind Architekten und Ingenieure aufgrund der im Urteil beschriebenen Pflichtenlage gut beraten, Mängelursachen sorgfältig zu prüfen. Insbesondere bleiben die Pflichten unvermindert bestehen, wenn Leistungen entsprechend Leistungsphase 9 nicht beauftragt wird. Dieser Umstand sollte Architekten/ Ingenieure nicht dazu verleiten, bei nach Abnahme der Bauleistungen auftretenden Gewährleistungsmängeln die Hände in den Schoß zu legen und der Verjährung entgegenzusehen.