1. Führt eine vom Besteller ausgesprochene Kündigung eines Bauvertrags aus wichtigem Grund dazu, dass sich die Forderung des Schuldners auf Werklohn und eine Gegenforderung auf Schadensersatz wegen Fertigstellungsmehrkosten aus einem anderen Vertragsverhältnis aufrechenbar gegenüberstehen, ist die Herstellung der Aufrechnungslage gläubigerbenachteiligend.
2. Die Wirksamkeit der Kündigung steht der Anfechtbarkeit der Herstellung der Aufrechnungslage nicht entgegen.

Ein Besteller und ein Bauunternehmer schlossen im August 2017 einen Bauvertrag und einen weiteren Vertrag. Der Unternehmer stellte am 06.02.2018 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Besteller kündigte mit Schreiben vom 09.03.2018 beide Bauverträge gemäß § 8 Abs. 2 VOB/B und nahm die erbrachten Bauleistungen jeweils am 21.03.2018 ab. Am 01.05.2018 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bauunternehmers eröffnet und ein Insolvenzverwalter eingesetzt. Dieser verlangte vom Besteller aus dem zweiten Vertrag offenen Restwerklohn i. H. v. 173.000 Euro. Hiergegen rechnete der Besteller mit (streitigen) Schadensersatzansprüchen gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B aus dem ersten Vertrag i. H. v. 383.000 Euro auf.

Ohne Erfolg!

Der Besteller musste den vollen Werklohn aus dem zweiten Vertrag in Höhe von 173.000 Euro bezahlen. Die von ihm mit angeblichen Schadensersatzansprüchen aus dem ersten Vertrag begründete Aufrechnung ist aus insolvenzrechtlichen Gründen unzulässig. Gegenstand der Anfechtung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist das Herstellen der Aufrechnungslage. Als anfechtbare Rechtshandlung kommt jede Handlung in Betracht, die zum Entstehen der Aufrechnungslage führt, insbesondere die Kündigung eines Vertrags. Durch die in Kenntnis des vom Unternehmer gestellten Insolvenzantrags erklärte Kündigung stellte der Besteller eine Aufrechnungslage mit etwaigen Gegenforderungen aus § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B her. Damit liegen die Voraussetzungen von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO vor. Entgegen der Auffassung des Bestellers sei die insolvenzrechtliche und AGB-rechtliche Wirksamkeit der insolvenzabhängigen Lösungsklausel des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B und der Klausel des § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B von der Frage der Anfechtbarkeit der Herstellung der Aufrechnungslage zu trennen. 

Die insolvenzrechtliche Unwirksamkeit ergreift nur die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Herstellung der Aufrechnungslage, nicht jedoch das Grundgeschäft (hier: Kündigung). Die für eine erfolgreiche Insolvenzanfechtung erforderliche Gläubigerbenachteiligung liege beim Herstellen der Aufrechnungslage regelmäßig darin, dass die Forderung der Insolvenzmasse im Umfang der Aufrechnung zur Befriedigung einer einzelnen Insolvenzforderung verbraucht wird und insoweit nicht mehr für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehe. Der Eintritt der Gläubigerbenachteiligung sei isoliert in Bezug auf die konkret bewirkte Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners, vorliegend also des Unternehmers zu beurteilen.

Eine – trotz der „Vorbereitung“ durch BGH, Urteil vom 07.05 2013 – IX ZR 191/12 – Entscheidung wie ein Paukenschlag! Zwar kann, vom BGH in diesem Urteil bestätigt, ein Besteller den Bauvertrag aus wichtigem Grund nach § 8 Abs. 2 VOB/B wegen des Insolvenzantrags eines Unternehmers kündigen, aber eine hieraus resultierende Schadensersatzforderung steht nicht als „Aufrechnungspotenzial“ gegen die Forderung des Unternehmers bzw. von dessen Insolvenzverwalter aus einem anderen Vertrag zur Verfügung. Selbst die Möglichkeit der Aufrechnung innerhalb ein- und desselben Vertrags dürfte  nach den Andeutungen des IX. Zivilsenats in Rz. 15 („Ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist, kann dahinstehen.“) fraglich (geworden) sein.