1. Ein Anspruch auf Abschlagszahlungen kann grundsätzlich nicht mehr klageweise durchgesetzt werden, wenn die Bauleistung abgenommen und die Frist abgelaufen ist, innerhalb derer der Auftragnehmer gem. § 14 Abs. 3 VOB/B die Schlussrechnung einzureichen hat.
2. Etwas anderes gilt etwa dann, wenn die Vorlage einer Schlussrechnung infolge des Zeitablaufs und der Insolvenz des Auftragnehmers unmöglich geworden ist und die restliche Werklohnforderung im Wege einer Schätzung bestimmt werden kann.
3. Eine Klage auf offene Werklohnansprüche darf nicht allein mit Verweis auf das Fehlen einer Schlussrechnung abgewiesen werden, wenn sich aus den dem Prozess zu Grunde zu legenden Tatsachen unmittelbar ergibt, dass und in welcher Höhe ein weiterer Werklohnanspruch besteht.
4. Der Auftraggeber kann sich auf die objektiv fehlende Prüfbarkeit einer Rechnung nicht berufen, wenn er zur Beurteilung der geltend gemachten Forderung keiner weiteren Informationen mehr bedarf. Entscheidend ist, ob dem Kontroll- und Informationsinteresse eines Auftraggebers durch den vorgetragenen Sachverhalt einschließlich der Rechnung ausreichend Genüge getan ist.

Ein Bauträger beauftragte einen  Bauunternehmer mit der Erstellung eines Objekts. Für 15 Gewerke wurden 2010 und 2011 (Netto-)Abschlagsrechnungen erstellt. Der Bauträger beglich alle Rechnungen und zahlte jeweils – wie in den Rechnungen entsprechend dem damaligen Verständnis der Steuervorschriften gefordert – die Umsatzsteuer an das Finanzamt. Der Bauunternehmer wurde insolvent. 2013 entschied der Bundesfinanzhof, dass in vergleichbaren Fallkonstellationen die Umsatzsteuer direkt vom Bauunternehmer zu erbringen sei. Der Bauträger forderte 2014 vom Finanzamt die Rückzahlung der von ihm gezahlten Umsatzsteuer. Das Finanzamt begehrte daraufhin vom Insolvenzverwalter des Bauunternehmers die Ausstellung von Korrekturrechnungen gegenüber dem Bauträger samt Umsatzsteuer und deren Abführung. Der Insolvenzverwalter trat die Forderungen auf Umsatzsteuer auf erbrachte Bauleistungen später an die Nachunternehmer des insolventen Bauunternehmers ab. Das Finanzamt erklärte gegenüber diesen Zahlungsansprüchen 2016 die Aufrechnung. 2020 klagten die Nachunternehmer auf Feststellung gegenüber dem Bauträger, dass ihnen bis 2016 Zahlungsansprüche i. H. v. 210.000 Euro gegen ihn zustanden. Der Bauträger wandte ein, dass für das Bauprojekt keine ordnungsgemäße und prüfbare Schlussrechnung vorliege und die Frist dazu nach § 14 Nr. 3 VOB/B verstrichen sei.

Dieser Einwand hatte keinen Erfolg! Die Klage hatte Erfolg!

Der Einwand des Bauträgers – so das OLG Nürnberg – sei rechtsmissbräuchlich. Die Bauleistungen lägen  über neun Jahre zurück, so dass es unmöglich sei, noch eine Schlussrechnung zu erstellen. Der Bauträger habe zu keiner Zeit die Vorlage einer Schlussrechnung angemahnt, obwohl er selbst die Grundlage dafür gelegt habe, dass der aus ergänzender Vertragsauslegung herzuleitende weitere Werklohnanspruch auf Zahlung der Umsatzsteueranteile entstanden sei. Ein noch bestehendes konkretes Informationsinteresse des Bauträgers sei nicht erkennbar. Der Bauträger – so weiter das OLG Nürnberg – instrumentalisiere das Fehlen der Schlussrechnung allein dazu, einen dem Grunde und der Höhe nach völlig eindeutigen und transparenten Anspruch abzuwehren.