1. Der mit der Bauüberwachung beauftragte Architekt ist verpflichtet, Abschlagsrechnungen von Bauunternehmern daraufhin zu überprüfen, ob sie fachtechnisch und rechnerisch richtig, ob die zu Grunde gelegten Leistungen erbracht sind und ob sie der vertraglichen Vereinbarung entsprechen.


2. Die Abgrenzung zwischen einer Mengenabweichung nach § 2 Abs. 3 VOB/B und einer Ausführungsabweichung nach § 2 Abs. 8 VOB/B ist ebenso wie die korrekte Berechnung der Vergütung für 10% übersteigende Mehrmengen nach § 2 Abs. 3 VOB/B als Rechtsfrage zu klassifizieren.


3. Es würde die Anforderungen an das Maß der im Rahmen eines Architektenvertrags bei der Rechnungsprüfung nach § 276 BGB anzuwendenden Sorgfalt erheblich überspannen, wollte man dem Architekten einen Sorgfaltspflichtverstoß vorwerfen, wenn er in einer komplexen Konstellation eine der vorstehend dargestellten Rechtsfragen unzureichend erfasst und/oder unrichtig beantwortet.

Ein Auftraggeber beanspruchte vom dem von ihm beauftragten Architekten Schadensersatz nach § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB, weil der Architekt seine vertraglichen Pflichten bei der Rechnungsprüfung verletzt habe und es infolgedessen zu einer Überzahlung des Bauunternehmers i. H. V. rund 197.000 Euro gekommen sei.

Das OLG Köln wies die entsprechende Klage ab. Es sah die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruch bereits dem Grunde nach nicht als gegeben an. Der Architekt habe keine Sorgfaltspflicht verletzt. Die Frage der Abgrenzung zwischen einer Mengenabweichung nach § 2 Abs. 3 VOB/B und einer Ausführungsabweichung nach § 2 Abs. 8 VOB/B sei ebenso wie diejenige der korrekten Berechnung der Vergütung für 10% übersteigende Mehrmengen nach § 2 Abs. 3 VOB/B als Rechtsfrage zu klassifizieren. Unbeschadet der tatsächlichen Aspekte wie Art und Menge der verbauten sowie berechneten Materialien und Arbeiten seien diese Fragen anhand einer am objektivierten Empfängerhorizont orientierten Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) bzw. einer ergänzenden Vertragsauslegung zu beantworten (vgl. BGH, IBR 2019, 536). Es würde die Anforderungen an das Maß der im Rahmen eines Architektenvertrags bei der Abschlagsrechnungsprüfung nach § 276 BGB anzuwendenden Sorgfalt erheblich überspannen, wollte man dem Architekten einen Sorgfaltspflichtverstoß vorwerfen, wenn er in einer komplexeren Konstellation wie der vorliegenden eine der vorstehend dargestellten Rechtsfragen unzureichend erfasst und/oder unrichtig beantwortet.

Glück gehabt! Die Entscheidung des OLG Köln hätte auch – mit anderer Begründung – gegen ihn ausgehen können.

Die Frage nach der Reichweite und den Grenzen der Rechtsberatungspflicht von Planern hat auch bei der Prüfung von Rechnungen der bauausführenden Unternehmen Bedeutung. Die restriktive Haltung des OLG Köln ist im Allgemeinen zu begrüßen. Nicht selten fordern Auftraggeber Erhebliches von beauftragten Architekten, wenn es um den Umgang und die Bewertung von Nachtragsforderungen in der Baudurchführung geht. Oft über den mit dem Architekten vereinbarten Leistungsumfang hinaus. Allerdings hätte der Architekt beim dem dem OLG Köln vorliegenden Fall – wie es regelmäßige bei gleichgelagerten Sachverhalten auch angezeigt ist – erkennen und darauf hinweisen müssen, dass sich die Rechtsfrage der Abgrenzung zwischen Mengenabweichung nach § 2 Abs. 3 VOB/B und Ausführungsabweichung nach § 2 Abs. 8 VOB/B stellt und diese von einem hierfür qualifizierten Baurechtler zu beantworten ist. Grundsätzlich beschränkt sich die Verpflichtung des Architekten auf eine Anwendung der Grundzüge des Rechts unter Berücksichtigung der gängigen Rechtsprechung (z. B. OLG Stuttgart, IBR 2023, 28). Zu den insoweit erwartbaren Grundzügen der VOB/B könnte auch die im vorliegenden Sachverhalt relevante Abgrenzungsfrage gehören. Planer sind bei aufkommenden Rechtsfragen jedenfalls gut beraten, lieber einmal zu mehr als zu wenig dem Auftraggeber die Einholung von Rechtsrat zu empfehlen. Dass der Architekt vorliegend solche Empfehlung nicht gab, könnte als eine einen Schadensersatzanspruch begründende Pflichtverletzung verstanden werden.