1. Der Architekt verletzt regelmäßig seine Vertragspflichten, wenn er ohne verlässliche Kenntnis von den wirtschaftlichen Möglichkeiten des privaten Auftraggebers die Planung eines Wohnhauses vornimmt (BGH, IBR 2013, 284).
2. Jeder Bauherr ist gut beraten, die Kosten des Bauvorhabens zuvor zu kalkulieren und einen Puffer einzuplanen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass es ihm darauf ankommt die genannten Baukosten einzuhalten.
3. An der Verursachung eines Schadens durch eine fehlerhafte Kostenschätzung oder Kostenkontrolle fehlt es, wenn der Bauherr trotz ansteigender Baukosten an der Verwirklichung des unveränderten Vorhabens festhält oder gar Mehrkosten verursacht.

Ein Bauherr beabsichtigte den Umbau eines Wasserturms zu Wohnzwecken. Ein Architekt sollte mit den erforderlichen Planungs- und Überwachungsleistungen beauftragt werden. Vor Vertragsschluss legte der Architekt am 22.05.2009 eine erste „Kostenschätzung“ über 595.000 Euro brutto vor. Eine am Folgetag von ihm gemachte „Kostenschätzung“ wies allerdings höhere Kosten aus, nämlich 798.990 Euro brutto. Im Mai 2010 wurde ein Förderantrag mit ausgewiesenen Baukosten von 884.170 Euro brutto gestellt. Die tatsächlichen Baukosten lagen Schließlich bei deutlich über 1 Mio. Euro. Dennoch hielt der Bauherr an einer gehobenen Ausstattung des Gebäudes fest. Auch ließ er die nicht vom Architekten geplante Außenanlagen so hochwertig wie ursprünglich beabsichtigt erstellen. Im Ergebnis nahm der Bauherr den vom ihm mit der Planung und Ausführungsüberwachung beauftragten Architekten nwegen Baukostenüberschreitung auf Schadensersatz i.H.v. 350.000 Euro in Anspruch.

Ohne Erfolg – so das OLG Schleswig wenig überraschend! Der Bauherr hätte bereits keine Vereinbarung einer Baukostenobergrenze schlüssig vorgetragen. Aus der Natur des Bauprojekts ergebe sich keine Erforderlichkeit einer Kostengrenze. Es habe sich nach Ansicvt des Gerichts um ein Liebhaberobjekt zu Wohnzwecken gehandelt. Zunächst hätte der Bauherr auf die Kostenschätzung vom 22.05.2009 abgestellt, dann aber eingeräumt, dass dieser Betrag zur Reduzierung der Architektenkosten niedrig angesetzt worden sei. Erst sechs Jahre nach Prozessbeginn hätte der Bauherr eine absolute Grenze für die Gesamtkosten von 1 Mio. Euro „eingebracht“. Dafür, dass er letztlich bereit gewesen wäre, die entstandenen Kosten zu akzeptieren, spreche seine Begeisterung für das Projekt. Der Umbau eines Wasserturms zu Wohnzwecken sei nicht alltäglich. Er sei einer eigenen kreativen Idee des Bauherrn entsprungen. Er hätte für das Projekt „gebrannt“. Es sei ein „ganz großer Idealismus“ vorhanden gewesen. Das Gericht konnte zwar nachvollziehen, dass sich der Bauherr eine Budgetgrenze gesetzt hätte. Ob er aber nicht bereit gewesen wäre, höhere Kosten zu finanzieren, lasse sich nicht sagen. Jedenfalls stellten seine finanziellen Möglichkeiten keine objektive Grenze für die nach seiner Behauptung entstandenen Baukosten dar. Er sei von Anfang an in der Lage gewesen, die höheren Baukosten zu finanzieren. An der Verursachung eines Schadens durch eine fehlerhafte Kostenschätzung oder Kostenkontrolle fehle es zudem, wenn der Bauherr trotz ansteigender Baukosten an der Verwirklichung des unveränderten Vorhabens festhalte oder gar Mehrkosten verursache (OLG Stuttgart, BauR 2000, 1893).

Das Werk des Architekten beginnt mit dem Taschenrechner“ schreibt Dipl.-Ing. Seifert (Festschrift „Standpunkt Baurecht“ für  Stefan Leupertz, Werner-Verlag, 2021, S. 711 ff.). Und er bringt damit auf den Punkt, dass der Architekt als Teil des von ihm zu gewährleistenden Planungs- und Überwachungsziels (vgl. § 650 p Abs. 1 und 2 BGB) zunächst – neben technischen und zeitlichen – auch die finanziellen Vorstellungen und Grenzen seines Bauherren zu klären hat. Das gilt auch für „Liebhaberprojekte“ und vermögende Bauherren. Diese haben es allerdings schwerer, einen Schaden darzulegen, der auf einer Kostenüberschreitung beruht. Denn wenn sie das Bauvorhaben zu Ende bringen, entsteht ihnen letztlich kein Vermögensschaden. Das Geld „wandert“ vom Konto in das Bauwerk („Betongeld“). Es ist daher nicht „weg“. Und Folgekosten, wie zum Beispiel für eine Finanzierung, entstehen regelmäßig nicht.