Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht (mehr) auf den Vorwurf der „Europarechtswidrigkeit der HOAI“ und damit auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt werden. Die insoweit entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch das Urteil des EuGH vom 18.01.2022 (IBR 2022, 74) sowie die auf dieser Grundlage ergangenen Urteile des Senats vom 02.06.2022 (IBR 2022, 408; IBR 2022, 409, und IBR 2022, 466) entschieden und damit geklärt.

Ein Architekt verlangte mittels sogenannter Aufstockungsklage von seinem Auftraggeber ein über die Honorarvereinbarung hinausgehendes Honorar nach den Mindestsätzen der HOAI. Das Landgericht gab der Klage überwiegend statt. Das OLG München wies die Berufung des Auftraggebers durch Beschluss vom 22.05.2017 nach § 522 Abs. 2 ZPO (Offensichtlich fehlende Aussicht auf Erfolg der Berufung). zurück. Die Bedenken des Auftraggebers gegen die Europarechtswidrigkeit der Preisbindung der HOAI teilte es nicht und hält daher weder eine Vorlage an den EuGH noch die Zulassung der Revision für erforderlich. Dagegen wendete sich der Auftraggeber mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die er auf die „Europarechtswidrigkeit der HOAI“ stützt.

Ohne Erfolg! Zwar hat der EuGH mit Urteil vom 04.07.2019 die Preisbindung der HOAI als Verstoß gegen EU-Recht erkannt. Auf die Vorlage des BGH vom 14.05.2020 hat er aber mit Urteil vom 18.01.2022 (IBR 2022, 74) auch entschieden, dass das EU-Recht der weiteren Anwendung der Preisvorschriften der HOAI in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten nicht entgegensteht. Der BGH hat mit drei Urteilen vom 02.06.2022 (IBR 2022, 408; IBR 2022, 409; IBR 2022, 466) inzwischen bestätigt, dass auch nach deutschem Recht die Mindestsatzbindung in Altfällen weiterhin gilt. Damit liegt der vom AG geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision nicht (mehr) vor. Auch in der Sache hätte die Revision keine Aussicht auf Erfolg.

Die Zeit ist über die Nichtzulassungsbeschwerde aus dem Jahr 2017 hinweggegangen. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines Revisionsgrunds ist der Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde. Nachdem der BGH durch Beschluss vom 14.05.2020 dem EuGH die Frage nach den Folgen der Europarechtswidrigkeit der HOAI auf laufende Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten vorgelegt hatte, hatten die Instanzgerichte die entsprechenden Verfahren entweder förmlich ausgesetzt oder jedenfalls bis zur Klärung der Frage durch den EuGH und den BGH zurückgestellt. So ist auch der BGH im hier vorliegenden Rechtsstreit verfahren. Spätestens seit den Urteilen des BGH vom 02.06.2022 herrscht Klarheit: Für alle Verträge, die der HOAI 2013 oder älter unterliegen, bleibt es weiterhin bei den Mindestsätzen der HOAI. In diesem Zusammenhang hat der BGH auch entschieden, dass die Treuwidrigkeit des Mindestsatzverlangens nicht aus dem Verstoß der Preisbindung gegen EU-Recht hergeleitet werden kann und dass gegen die Formvorschrift des § 7 Abs. 5 HOAI 2013 keine europarechtlichen Bedenken bestehen. Damit hat er solchen vereinzelt auch gegen das Textformerfordernis in § 7 der HOAI 2021 geäußerten Bedenken eine Absage erteilt. Die Gerichte haben jetzt über die bei ihnen anhängigen Mindestsatzklagen (sogenannte Aufstockungsklagen) zu entscheiden. Das Argument der Europarechtswidrigkeit der Mindest- und Höchstsatzbindung spielt keine Rolle mehr. Das stärkt die Position der Architekten und Ingenieure und rückt wieder die weiteren Rechtsfragen der Mindestsatzklagen in den Vordergrund: den Anwendungsbereich der HOAI, die Anforderungen des § 7 HOAI 2013 an von den Mindestsätzen abweichende Vereinbarungen, die Treuwidrigkeit des Mindestsatzverlangens und den schlüssigen Mindestsatzvergleich mit der Gegenüberstellung des vertraglich vereinbarten und des sich aus den Mindestsätzen der HOAI ergebenden Honorars.