Bedenken können gegenüber angestellten Bauüberwachern des Auftraggebers mitgeteilt werden, sollten sicherheitshalber aber direkt gegenüber dem Vertreter des Auftraggebers geäußert werden. Dies folgt einmal mehr aus der in diesem Zusammenhang ergangenen Rechtsprechung.

Grundsätzlich haben Auftragnehmer eines Bauvertrages Bedenken gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B bzw. gegebenenfalls nach allgemeinen Recht gegenüber dem Auftraggeber mitzuteilen. Die Bedenken müssen in die Sphäre des Auftraggebers gelangen, um eine Enthaftung gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B (und eine Haftungspriveligierung nach § 10 Abs. 2 VOB/B) zu begründen zu können. Besondere Vorsicht sollten Auftragnehmer deswegen walten lassen bei der Frage, gegenüber welcher konkreten Person auf Auftraggeberseite die Bedenken geäußert werden. Der Grundsatz, dass dann, wenn der Bauüberwacher sich den vorgetragenen Bedenken des Auftragnehmers verschließt, der Bauherr selbst informiert werden muss, betrifft nach Ansicht des OLG Köln die Fälle, in denen der Bauüberwacher außerhalb der Sphäre des Bauherrn steht, insbesondere weil er mit dem Bauherrn durch einen Werkvertrag verbunden ist. Steht der Überwacher jedoch in einem Arbeitsverhältnis mit dem Bauherrn, so gelangt die Bedenkenmitteilung unmittelbar in die Sphäre des Bauherrn. Die den Hinweis missachtende Anweisung ist dann ebenfalls der Sphäre des Bauherrn zuzurechnen.

Bei dem vom OLG Köln zu entscheidenden Sachverhalt errichtete ein Bauträger drei fünfgeschossige Häuser. Er beauftragt einen Architekten mit der Planung der Treppenhäuser und einen Unternehmer mit der Verlegung von Natursteinplatten. Die VOB/B war Inhalt des Bauvertrages. In einem vom Bauträger eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren stellte der gerichtlich beauftragte Sachverständige fest, dass die Treppenstufen zu geringe Auftrittsbreiten haben, was in den vom Architekten erstellten Plan bereits so beschrieben war. Der Sachverständige sah insofern neben Ausführungs- auch Planungs- und Bauüberwachungsmängel. Die Kosten für eine mangelfreie Herstellung der Treppen bezifferte der Bauträger mit 90.000 Euro. Diesen Betrag orderte er vom Unternehmer als Kostenvorschuss. Dieser verteidigt sich damit, dass er mündlich gegenüber dem Bauüberwacher des Bauträgers wegen zu geringer Auftrittsbreiten Bedenken mitgeteilt habe und dieser ihn angewiesen habe, die Verlegearbeiten trotzdem auszuführen. Der Bauträger bestritt, „korrekt“ Bedenken mitgeteilt bekommen zu haben und, dass der Unternehmer gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B enthaftet sei.

Zu Unrecht, so das OLG Köln. Das OLG wies die Klage des Bauträgers ab. Es sah den Voraussetzungen nach keinen Anspruch auf Vorschuss gemäß §§ 633, 634 Nr. 2, § 637 BGB i. V. m. § 13 VOB/B. Der Unternehmer hat, so das OLG Köln, bewiesen, dass er dem als Bauüberwacher angestellten Mitarbeiter des Bauträgers einen mündlichen Hinweis auf die zu geringe Auftrittsbreite der Treppenstufen erteilt und dieser ihn zur Fortsetzung der Arbeiten angewiesen hat. Obwohl der Bauüberwacher die Bedenkenmitteilung missachtete, musste der Unternehmer sich nicht zusätzlich direkt an den Bauträger wenden. Aus den in den Leitsätzen des Urteils genannten Erwägungen gibt es keinen Anlass, den Bauträger als Bauherrn und Auftraggeber des Unternehmers vor einer Untätigkeit des von ihm betriebsintern mit den Aufgaben der Bauüberwachung betrauten Mitarbeiters zu schützen. Der Hinweis des Unternehmers auf die zu geringe Auftrittsbreite ist eindeutig. Er bedarf daher in Bezug auf die Mangelhaftigkeit keiner weiteren Ausführung und befreit den Unternehmer gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B von seiner Haftung.

Wegen der besonderen Nähe des Mitarbeiters zum Bauträger mag ein direkter Hinweis des Unternehmers an diesen entbehrlich sein. Das OLG zog zur Begründung eine „Sphärentheorie“ heran und unterließ eine Prüfung hisnchtlich der Frage, ob das Recht der Stellvertretung beachtlich ist. Das scheint wohl richtig. Es wird in der baurechtlichen Szene aber auch die Ansicht vefrtreten, dass Bedenken gegenüber Personen, die auf der Seite des Auftraggebers eingeschaltet sind, wie eben z. B. Bauüberwachern, nur wirksam sind, wenn diese Personen vom Auftraggeber bevollmächtigt sind bzw. nach den Grundsätzen der sogenannten Duldungs- und Anscheinsvollmacht als bevollmächtigt gelten. Denn für rechtsgeschäftliche Erklärungen eines sachkundigen Mitarbeiters einer Bauvertragspartei gelten u. U. die Stellvertreterregeln (BGH, IBR 2011, 189; OLG Düsseldorf, IBR 2016, 94; OLG München, IBR 2013, 457; OLG Zweibrücken, IBR 2020, 288). Bei einer Bedenkenmitteilung an Mitarbeiter des Auftraggebers gehe es um die Vermittlung des Zugangs einer Willenserklärung des Unternehmers an den Bauträger (§ 164 Abs. 3 BGB), bei der Anordnung zur Fortsetzung der Arbeiten um die Frage, ob die Willenserklärung dem Bauträger zugerechnet werden kann (§ 164 Abs. 1 BGB). Voraussetzung für den Wirksamkeit des Zugangs der Bedenkenmitteilung soll in beiden Fällen sein, dass der Mitarbeiter des Bauträgers ein Stellvertreter mit Vertretungsmacht ist. Nach dieser Auffassung hätte des OLG Köln daher zumindest die Voraussetzungen einer (Anscheins-/Duldungs-)Vollmacht prüfen müssen.

Um dem mit dieser Zugangsproblematik verbundenen Streit die Spitze zu nehmen, sollten Auftragnehmer im Zweifel – und das dürfte „am Bau“ die Regel sein – Bedenken stets und grundsätzlich direkt dem Auftraggeber schriftlich mitteilen. Eine Auseinandersetzung, ob der Bauüberwacher der Briefkasten des Auftraggebers ist, kann so nicht aufkommen.