(BGH, Beschluss vom 08.12.2021 – VII ZR 224/19: Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Kosten spielen bei jedem Bauvorhaben eine erhebliche Rolle. Gerade auch in Anbetracht der aktuellen Situation mit der teils nicht „planbaren“ Entwicklung der Kosten für die Bauausführung haben mit der Kostenkontrolle beauftragte Architekten und Ingenieure besondere Sorgfalt dabei zu verwenden, den Bauherren über die Kostenentwicklung und, wenn diese unvermeidbar nicht absehbar ist, über Unsicherheiten diesbezüglich aufzuklären. Dieses Thema beschäftigt auch immer wieder die Gerichte. Das OLG Nürnberg meint dazu:

1. Eine Überschreitung der Baukosten kann als Mangel der Architektenleistung einzustufen sein, wenn die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung dahin getroffen haben, dass die Baukosten ein bestimmtes Limit nicht überschreiten dürfen.
2. Der Architekt ist verpflichtet, im Rahmen der Grundlagenermittlung den wirtschaftlichen Rahmen eines privaten Bauherrn abzustecken und ihn dazu nach seinen Vorstellungen zu fragen.
3. Nimmt der Architekt eine Kostenschätzung vor, muss die Schätzung zutreffend sein. Handelt es sich nur um eine grobe Schätzung, muss er über die Schwächen der Kostenangaben aufklären.

Dieser Bewertung vorausgegangen war, dass Bauherren den beklagten Architekten seinerzeit mit der sogenannten Vollarchitektur im Sinne von § 15 HOAI 1996 beauftragt hatten. Weil die Bausumme aus ihrer Sicht pflichtwidrig überschritten wurde, verklagten sie den Architekten auf Ersatz eines deswegen mit der Begründung. Die vom Architekten erstellte Kostenschätzung sei, so die Sicht der Bauherren, fehlerhaft gewesen. Die erste Kostenschätzung wies Kosten von 386.400 DM aus; schließlich stoppten die Bauherren die weitere Bauausführung und Vergabe von Bauaufträgen, weil die Kosten weit mehr als 400.000 DM betrugen. Zur Fertigstellung des Bauvorhabens mussten die Bauherren zur Nachfinanzierung weitere Darlehen aufnehmen. Nach der erstinstanzlichen Entscheidung sind zur Fertigstellung des geplanten Bauvorhabens mindestens 555.489 DM aufzuwenden gewesen. Das Landgericht nahm ein maximales Budget von 420.000 DM an und sprach den Bauherren einen Schadensersatz i.H.v. ca. 58.000 DM zu.

Gegen dieses Urteil legte der Architekt Berufung ein. Ohne Erfolg.

Die Berufung erachtete das OLG Nürnberg (weitestgehend) für unbegründet. Allerdings konnte eine Baukostenobergrenze im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung (vgl. auch für die aktuelle Rechtslage § 633 Abs. 2 S. 1 BGB) nicht bewiesen werden. Dem Architekten sei jedoch eine Pflichtverletzung anzulasten, weil er die Kostenvorstellungen der Bauherren schon nach seinem eigenen Vorbringen nicht erfragte und die Bauherren bezüglich der nur groben Kostenschätzung nicht über die Schwächen bzw. Unsicherheiten seiner Berechnung aufklärte. Auch nach dem alten Schuldrecht vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes trafen den Architekten die (Neben-) Pflicht, im Rahmen der Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1) den wirtschaftlichen Rahmen eines privaten Bauherrn abzustecken und den Bauherrn dazu gegebenenfalls nach seinen Vorstellungen zu fragen. Nimmt der Architekt in diesem Zusammenhang eine Kostenschätzung vor, muss die Schätzung zutreffend sein. Handelt es sich nur um eine grobe Schätzung, muss der Architekt über die Schwächen der Kostenangaben aufklären (vgl. BGH, IBR 2013, 284). Mit lnkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes haben sich nur die Anspruchsgrundlagen geändert, nicht aber die tatsächlichen Voraussetzungen für die Haftung eines Architekten, so dass seither nicht mehr nach einer Verletzung von Haupt- und Nebenpflichten zu differenzieren ist

Die Sichtweise des OLG Nürnberg dürfte sich einreihen in die ständige Rechtssprechung und auch in die Ansichten der überwiegenden architeketnrechtlichen Literatur. Auch wenn eine Kostenobergrenze als Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Parteien eines Planungs- bzw. Überwachungsvertrages nicht festgestellt werden kann, droht eine Haftung des Architekten, wenn dieser nicht aktiv nach dem Budget des Bauherrn fragt (vgl. OLG München, IBR 2015, 265). Nach der nunmehr mit § 650 p Abs. 2 BGB geregelten „Zielfindungsphase“ hat der Planer dem Bauherrn frühzeitig eine Kosteinschätzung – in der Systematik der DIN 276 nicht vorgesehen – zur Abstimmung vorzulegen, die Basis für die Fortführung der Planung sein soll. Es geht also darum, dass der Architekt zwecks sicherer Beschreibung des Planungs- und Überwacbhungsziels (vgl. § 650 p Abs. 1 BGB) nicht nur in technischer (und wohl auch zeitlicher) Hinsicht zumindest „im Wesentlichen“ orientiert ist, sondern eben auch hinsichtlich des Budgets des Bauherren. Nur das gewährleistet als sozusagen dritte „Koordinate“ für eine Planung (und dann Bauausführung), dass das Vorhaben im Sinne und vor allen Dingen gemäß den Möglichkeiten des Bauherren entsteht. Hilfreich für die Praxis könnte ein Anfragen der Punkte gemäß bzw. entsprechend der DIN 18205 (Bedarfplanung im Bauwesen) sein.