1.
Nach Ansicht des Kammergerichts kann auch beim sogenannten VOB-Vertrag der Auftragnehmer bei der Berechnung von geschuldeten Abschlagszahlungen 80 % der Nachtragsvergütung ansetzen und im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend machen. Das soll selbst dann gelten, wenn die VOB/B „als Ganzes“ vereinbart ist.

Bei dem zu entscheidenden Fall hatte der Auftragnehmer Abbrucharbeiten bei einem Universitätsgebäude übernommen. Der Auftragnehmer führte zusätzliche, insofern also Nachtragsleistungen im Sinne des vertraglich vereinbarten § 2 Abs. 6 VOB/B aus. Über die vom Auftraggeber anerkannten Zusatzleistungen hinaus hat der Auftragnehmer zwei Nachträge, insbesondere für das Vorhalten von Personenschleusen i. H. v. über 560.000 Euro geltend gemacht und meint, Abschlagszahlung i. H. v. 80 % der angebotenen Nachtragsvergütung gemäß § 650 c Abs. 3 BGB fordern zu können.

Der Auftraggeber wollte im einstweiligen Verfügungsverfahren festgestellt wissen, dass der Auftragnehmer im Ergebnis keinen Anspruch auf Abschlagszahlung in Höhe von 80 % des Nachtragsangebots habe. Diesbezüglich ohne Erfolg!

Das Kammergericht urteilte, dass der Auftragnehmer – soweit ansonsten die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B und des § 2 Abs. 6 VOB/B gegeben sind – den geforderten Abschlag zu bekommen hat. Insoweit stünden dem Auftragnehmer eine Abschlagszahlung i. H. v. 80 % seines Angebotspreises zu, da Abschlagszahlungen gemäß § 16 VOB/B vereinbarte Abschlagszahlungen i. S. v. § 650c Abs. 3 S. 1 BGB seien.

Die Berechtigung der konkret geltend gemachten Nachtragsforderungen lässt sich leider anhand der Urteilsgründe nicht abschließend nachvollziehen und soll hier dahingestellt bleiben.

Prozessrechtlich jedenfalls bejaht das Kammergericht mit der wohl herrschenden Meinung die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 650 d BGB (Einstweilige Verfügung) auf den sogenannten VOB/B-Vertrag, wobei der Sinn einer negativen Feststellungsverfügung mangels Rechtskraft einerseits und § 320 BGB bei Nichtzahlung der Nachtragsvergütung andererseits nur sehr begrenzt sein kann.

Die Anwendung der materiellrechtlichen 80 % – Regelung des § 650c Abs. 3 BGB begründet das Kammergericht schlicht damit, dass die Anwendung dieser Vorschrift im konkreten VOB-Vertrag „nicht ausgeschlossen“ worden sei. Ob sich diese Ansicht allgemein durchsetzt, bleibt abzuwarten. Denn möglicherweise übergeht solche Bewertung die Tatsache, dass § 650 c BGB seinem Wortlaut wohl nach nicht für alle Nachträge und damit nicht für alle Abschlagsforderungen gelten dürfte, sondern (wohl) nur für gemäß § 650 b Abs. 2 BGB angeordnete (also für vom Auftraggeber begehrte Änderung des vereinbarten Werkerfolgs (vgl. § 650 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB) oder Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist (vgl. § 650 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB) und die Bauvertragsparteien binnen 30 Tagen nach Zugang des jeweiligen Änderungsbegehrens keine Einigung nach § 650 Abs. 1 BGB erzielten). Eine erweiternde Auslegung und Anwendung des § 650 Abs. 3 BGB bedarf einer rechtskonformen Begründung, die aber das Kammergericht leider nicht „lieferte“.

2.
Die Ansicht des Kammergerichts könnte im Übrigen und ungeachtet der beschriebenen rechtlichen Bedenken Bedeutung für die Abschlagsrechnung von Architekten- bzw. Ingenieurleistungen im Nachtragsbereich haben. Denn gemäß § 650 q Abs. 2 S. 2 BGB gilt § 650 c BGB und damit eben auch dessen Absatz 3 mit der sogenannten 80 % – Regelung auch für Architekten- und Ingenieurverträge entsprechend.