Verlangt der Auftragnehmer vom Auftraggeber die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gem. § 650f BGB, wird der Anspruch auf Sicherheitsleistung durch Übersendung einer Bürgschaftsurkunde und deren Entgegennahme durch den Auftragnehmer erfüllt. Das gilt auch dann, wenn die Vertretungsmacht der Unterzeichner der Bürgschaftsurkunde nicht hinreichend nachgewiesen ist.

Ein Auftraggeber stellte auf das Sicherungsverlangen des Auftragnehmers nach § 650f BGB eine Bankbürgschaft vom 21.05.2021. Die Bürgschaftsurkunde wurde von zwei Mitarbeitern der Sparkasse ohne Vertretungszusatz unterzeichnet. Am 14.03.2022 erhielt der Auftragnehmer eine Vollmachtsbestätigung zweier Vorstände der Sparkasse, wonach die unterzeichnenden Mitarbeiter ermächtigt waren, die Bürgschaftsurkunde zu unterschreiben. Der Auftragnehmer wendete ein, dass die nach § 650f BGB geschuldete Sicherheit wegen des zunächst fehlenden Nachweises der Vertretungsmacht der Mitarbeiter der Sparkasse nicht mehr im Mai 2021 erfüllt worden sei.

Ohne Erfolg!

Der dem Auftragnehmer gem. § 650f BGB zustehende Anspruch auf Sicherheitsleistung sei durch die Übersendung der Bürgschaft vom 21.05.2021 erfüllt worden. Der Erfüllung bereits im Mai 2021 stehe nicht entgegen, dass die Bürgschaftsurkunde von zwei Mitarbeitern der Sparkasse unterzeichnet wurde und dem Auftragnehmer erst später eine Vollmachtsbestätigung zuging. Gemäß § 362 Abs. 1 BGB erlösche das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung bewirkt werde. Subjektive Merkmale gehörten nicht zum Tatbestand der Erfüllung. Maßgeblich sei, ob die geschuldete Leistung bewirkt werde. Das müsse nicht einmal durch eine Leistungshandlung des Schuldners geschehen. Die geschuldete Leistung sei hier schon im Mai 2021 bewirkt worden. Der Hauptschuldner der Bürgschaft (hier: der Auftraggeber) habe die Bürgin (hier: die Sparkasse) mit der Übernahme der Bürgschaft zu Gunsten des Gläubigers (hier: des Auftragnehmer) beauftragt und der Auftragnehmer habe die Bürgschaftsurkunde entgegengenommen. Dadurch sei ein Bürgschaftsvertrag zwischen ihm und der Sparkasse begründet worden. Die Ansicht des Auftragnehmers, im Mai 2021 sei nicht oder jedenfalls nicht vollständig erfüllt worden, weil die Vertretungsmacht der Unterzeichner der Bürgschaft nicht hinreichend nachgewiesen worden sei, sei rechtlich nicht begründbar. Der Leistungsempfänger (hier: der ANuftragnehmer trage das Risiko der Beurteilung, ob Leistungshandlungen den Leistungserfolg bewirkt haben, selbst. Die Erfüllung hänge nicht davon ab, ob und inwieweit der Auftragnehmer sicher sein kann, ob die geschuldete Leistung bewirkt sei. Die Bürgschaft sei vorliegend wirksam erteilt worden. § 650f BGB enthalte keine Regelung dazu, dass der Besteller dem Unternehmer die Erfüllung durch zusätzliche Erklärungen nachweisen müsse. Im Übrigen seien die Zweifel des Auftragnehmers kaum nachvollziehbar. Die Bürgschaft sei auf einem mit Wasserzeichen versehenen Papier der Sparkasse ausgestellt worden und entspreche nach Form und Geschäftszeichen einer vom Auftragnehmer akzeptierten Bürgschaft vom 11.11.2020. Es sei schon „sehr ungewöhnlich“, wenn Mitarbeiter einer Sparkasse Bürgschaften unterschrieben hätten, obwohl sie hierzu nicht bevollmächtigt seien. Dem Risiko, dass der Auftraggeber eine Bürgschaftserklärung fälsche, könne schon durch einen Anruf bei der Sparkasse begegnet werden.

Ob die Bürgschaft wegen fehlender Vollmacht der Mitarbeiter der Sparkasse unverzüglich i. S. d. § 174 BGB vom Auftragnehmer zurückgewiesen wurde, ist dem Urteil des OLG nicht zu entnehmen. Unabhängig davon sollte ein Auftraggeber – um den rechtlich sicheren Weg zu gehen – die Vollmacht grundsätzlich im Original an den Auftragnehmer übergeben, da im Einzelfall die Übergabe einer Bürgschaftskopie nicht ausreicht (vgl. OLG Dresden, IBR 2015, 424; OLG Köln, IBR 2014, 269; OLG Bremen, IBR 2013, 741; BeckOK BauvertrR/Scharfenberg, BGB § 650f Rz. 28b f.).