Erteilt der Auftraggeber nach einem verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren einem Bieter den Zuschlag und gibt er in dem Auftragsschreiben verbindlich neue Vertragstermine vor, kommt kein Bauvertrag zu Stande, wenn sich der Bieter mit den geänderten Vertragsfristen nicht einverstanden erklärt.

Um was ging es?

Eine öffentliche Ausschreibung über Straßenbauarbeiten verzögerte sich aufgrund eines Vergabenachprüfungsverfahrens. Bieter B erklärte sich mit der Verlängerung der Bindefrist vom 09.03.2018 auf den 04.05.2018 einverstanden. Am 13.04.2018 erteilt der Auftraggeber (AG) dem B den Zuschlag. Im Zuschlagsschreiben heißt es: „Die Vertragsfristen (…) werden wie folgt neu festgelegt: Beginn der Ausführung frühestens am 04.05.2018 (…), Vollendung spätestens am 15.08.2018. (…) Ich fordere Sie auf, sich (…) unverzüglich über die Annahme des vorliegenden Zuschlagsschreibens zu erklären.“ B bedankt sich schriftlich für die Zuschlagserteilung und teilt dem AG jedoch mit, dass der gewünschte Realisierungszeitraum derzeit nicht bestätigt werden könne. Der AG war daraufhin der Meinung, dass B das modifizierte Angebot nicht akzeptiert habe und hob die Ausschreibung auf. Damit war B nicht einverstanden. Er wollte festgestellt wissen, dass ein Vertrag über die Strassenbauarbeiten mit dem AG zu Stande gekommen sei, hilfsweise verlangte B Schadensersatz. Nachdem er vor dem Landgericht und dem OLG unterlegen ist, legte B Revision zum BGH ein.

Ohne Erfolg! B hatte – so der BGH – das Angebot des AG vom 13.04.2018 nicht unverändert angenommen. Es kam daher nicht zu einem Vertragsschluss. Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein Zuschlag selbst dann zu den angebotenen Fristen erfolgen, wenn diese nicht mehr eingehalten werden können. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Zuschlag erteilt wird, ohne dass er ausdrückliche Erklärungen zur Anpassung der vorgesehenen Regelungen zur Bauzeit oder zur hiervon abhängigen Vergütung enthält. Will ein Auftraggeber vom Vertragswillen des Bieters abweichen, muss er dies in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringen. Fehlt es daran, kommt der Vertrag zu den Bedingungen der Ausschreibung bzw. des Angebots zu Stande. Für ein solches Verständnis ist allerdings kein Raum, wenn sich aus dem Zuschlagsschreiben eindeutig ergibt, dass eine andere, neue Bauzeit Bestandteil des Vertrags werden soll. Das ist etwa der Fall, wenn über die Bauzeit nicht mehr verhandelt werden soll, der Auftraggeber sie also einseitig „vorgibt“ und er dem Bieter nur die Möglichkeit lässt, sie als Vertragsbestandteil anzunehmen und das so geänderte – neue – Angebot – eventuell verbunden mit einem eigenen Vorschlag – abzulehnen. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Dass das Vorgehen des AG möglichweise vergaberechtswidrig ist (vgl. § 15 Abs. 3 VOB/A 2016), rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass sich ein öffentlicher Auftraggeber stets vergaberechtskonform verhält. Maßgeblich für das Zustandekommen eines auf der Grundlage einer öffentlichen Ausschreibung zu schließenden Vertrags sind die Vorschriften des BGB, nicht die der VOB/A.

Praxisempfehlung:

Akzeptiert der Bieter wie vorliegend die vom Auftraggeber verbindlich vorgegebene – im Verhältnis zum ursprünglichen Ausschreibungs-/ Angebotsinhalt – neue Bauzeit (modifizierte Angebot des Auftraggebers) nicht, gilt seine entsprechende „Annahmeerklärung“ als Ablehnung des im Verhältnis zum ursprünglichen Ausschreibungs-/ Angebotsinhalt veränderten – modifizierten – Angebots, verbundenen mit einem neuen Antrag (§ 150 Abs. 2 BGB), den der Auftraggeber annehmen kann, aber nicht muss. Will sich ein Bieter den Auftrag nicht entgehen lassen, aber einen eigenen Vorschlag zur Bauzeit machen, muss er das (modifizierte) Angebot uneingeschränkt akzeptieren und kann in Bezug auf die Termine lediglich ein Änderungs- oder Ergänzungsangebot unterbreiten (s. BGH, NJW 2001, 221, 222). Auf dieses allerdings kann, aber muss sich der Auftraggeber nicht einzulassen.