Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in seinem Urteil vom 16.06.2021 – 11 U 16/18 eine interessante Begründung für eine sogenannte Verlängerungsvergütung bestätigt.

In den Leitsätzen ist zu lesen:

1. Ein vor dem 01.01.2018 geschlossener Vertrag über die Erbringung von Leistungen der Sicherheits- und Gesundheitskoordination ist – sofern sich aus der getroffenen Vereinbarung nicht etwas anderes ergibt – als Dienstvertrag mit werkvertraglichen Elementen zu qualifizieren.
2. Treffen die Parteien eines SiGeKo-Vertrags keine Regelung dazu, nach welchen Grundsätzen der SiGeKo für seine Tätigkeiten vergütet wird, wenn sich auf der Baustelle Verzögerungen ergeben, enthält der Vertrag eine Lücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist.
3. Die ergänzende Vertragsauslegung kann ergeben, dass dem SiGeKo ein einseitiges, nach billigem Ermessen auszuübendes Leistungsbestimmungsrecht für die ihm zu gewährende Vergütung zusteht.

Der Auftragnehmer war für den Auftraggeber als SiGeKo im Rahmen eines Flughafenbaus tätig. Grundlage der Beauftragung war ein Honorarangebot des Auftragnehmers, das sich auf einen bestimmten Leistungszeitraum bezog. Die Eröffnung des Flughafens verschob sich. Der SiGeKo war länger tätig. Hierfür stellte er noch während seiner (verlängerten) Leistungszeit ein sogenanntes Nachtragsangebot. Dieses enthielt jeweils Pauschalen für verlängerte Leistungszeiten. Der AG „beauftragte“ die Nachträge nicht, leistete aber für einige Monate Abschläge auf die entsprechenden Abrechnungen des Auftragnehmers. Der SiGeKo verklagte den Auftraggeber auf Zusatzhonorar.

Mit Erfolg! Das OLG Brandenburg sprach dem Auftragnehmer nicht nur dem Grunde nach einen Anspruch auf Mehrvergütung für den längeren Ausführungszeitraum zu, sondern überließ ihm über ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB sogar die Festlegung der Höhe des Honorars. Hierzu gelangt das Gericht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung. Es meint, dass dies dem Willen der Parteien entsprochen hätte, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass der AN länger tätig sein würde. Diese Sichtweise ist durchaus interessant. Korrekt qualifizierte das Gericht den SiGeKo-Vertrag nach „altem“ Recht zunächst als Dienstvertrag mit werkvertraglichen Elementen. Das entsprach auch der herrschenden Rechtsauffassung. Unter dem „neuen“ Recht, das ab dem 01.01.2018 gilt, dürfte der Vertrag wegen seiner stark erfolgsbezogenen Elemente eher als Werkvertrag qualifiziert werden. Nicht sicher ist, ob er hinreichend „bauwerksbezogen“ ist, um darüber hinaus als Architekten- und Ingenieurvertrag gemäß § 650p Abs. 1 BGB qualifiziert zu werden, was die Möglichkeit eröffnen könnte, über die Verweisregel im § 650 q Abs. 2 BGB zur Nachtragsregelung de § 650 b Abs. 2 BGB und dann in das Anpassungsrecht des § 10 HOAI 2013 bzw. 2021 zu gelangen. Dass das OLG dem AN für seine längere Tätigkeit nach alten, also vor dem 01.01.2018 geltenden Recht dennoch einen Anspruch auf Mehrvergütung dem Grunde nach zuspricht, überrascht nicht. Die Tätigkeit des SiGeKo ist zu einem großen Teil (Beratung, Koordinierung, Überwachung) zeitbezogen, so dass eine längere Tätigkeit gemäß etwa dem Gedanken in § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) grundsätzlich auch mehr Geld bedeuten muss. Problematisch ist allerdings, wie das zusätzliche Honorar der Höhe nach zu beziffern ist. Hier überrascht der vom OLG Brandenburg bestätigte Ansatz, wenn es dem SiGeKo ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB zuspricht. Denn es gab schlicht keine Einigung zwischen den Vertragsparteien dahingehend, dass eine Seite das Honorar der Höhe nach bestimmen durfte. Das OLG „überbrückte“ damit wohl einen bewussten Einigungsmangel. Eher ist es wohl richtig, die Höhe einer zusätzlichen Vergütung für Dienst- bzw. Werkverträge gemäß § 612 Abs. 2 BGB bzw. § 632 Abs. 2 BGB an der Üblichkeit orientiert zu finden.