1. Der Architekt kann Zusatzarbeiten im Namen des Bauherrn nur mit entsprechender Vollmacht anordnen.
2. Von einer Anscheinsvollmacht ist auszugehen, wenn der Bauherr dem Architekten allein die Vertragsverhandlungen mit dem Unternehmer überlässt, dieser bereits den Vertrag verhandelt und unterzeichnet hat oder in anderer Weise dem Architekten völlig freie Hand bei der Durchführung des Bauvorhabens lässt, ohne sich selbst um den Bau zu kümmern.
Ein Bauherr beabsichtigte die Errichtung eines Einfamilienhauses. Er beauftragte einen Architekten mit der Bauüberwachung und -koordinierung sowie mit „Organisations- und Vermittlungsdienstleistungen“ zum Zwecke der Bauwerkserrichtung. Der Architekt nahm auf dieser Grundlage Verbindung zu einem Bauunternehmer auf und verhandelte mit diesem einen Pauschalpreisvertrag über Estrich- und Innenputzarbeiten. Dabei klärte der Architekt sämtliche vertraglichen und technischen Fragen mit dem Unternehmer. Der Bauherr hatte zu keiner Zeit direkten Kontakt mit dem Unternehmer Später verlangt der Bauherr vom Unternehmer rund 1.600 Euro im Zusammenhang mit einem zusätzlichen Auftrag zurück, der vom Architekten erteilt wurde, ohne dass dieser dazu vom Bauherrn bevollmächtigt gewesen sei. Aus dem zwischen Bauherrn und Unternehmer geschlossenen Bauvertrag ergebe sich, dass der Bauherr die Beauftragung selbst hätte vornehmen müssen. Der Unternehmer habe deshalb wissen müssen, dass der Architekt zur (alleinigen) Beauftragung nicht bevollmächtigt gewesen sei.
Die (Rückzahlung-) Klage des Bauherrn gegen den Unternehmer hatte in zweiter Instanz keinen Erfolg.
Dem Bauherrn stehe – so das OLG Oldenburg – kein Rückzahlungsanspruch zu! Der Architekt habe wirksam einen Zusatzauftrag im Namen des Bauherrn erteilt. Das Landgericht sei zu Unrecht von einer fehlenden Bevollmächtigung ausgegangen. Vielmehr bestand eine Anscheinsvollmacht des Architekten Von einer solchen sei auszugehen, wenn der Bauherr dem Architekten allein die Vertragsverhandlungen mit dem Auftragnehmer überlasse, dieser bereits den Vertrag verhandelt und unterzeichnet habe oder in anderer Weise dem Architekten völlig freie Hand bei der Durchführung des Bauvorhabens lasse ohne sich selbst um den Bau zu kümmern. Diese Voraussetzungen waren hier kumulativ gegeben. Der Unternehmer musste deshalb davon ausgehen, dass der Architekt bevollmächtigt war, auch die zusätzlichen Arbeiten anzuordnen.
Die Entscheidung dürfte durchaus richtig sein und sich wohl auch in die herrschende Rechtsprechung einordnen. Der Fall zeichnete sich dadurch aus, dass der Architekt hier – offenbar mit dem Willen des Bauherrn – in außergewöhnlich hohem Maße autonom handelte. Aus der Entscheidung geht nicht hervor, ob der Bauherr davon wusste (und duldete), dass der Architekt Zusatzaufträge vergibt. In diesem Fall wäre eine Duldungsvollmacht in Betracht zu ziehen gewesen (vgl. OLG Düsseldorf, IBR 2005, 416). Ebenso wenig geht aus der Entscheidung hervor, welchen Inhalt die im Bauvertrag enthaltene Vertretungsregelung hatte. Diese bewog das Landgericht in erster Instanz dazu, die Wirksamkeit der Zusatzbeauftragung abzulehnen. Denn eine – auch formularvertragliche – Regelung im Bauvertrag, die die Vollmacht des Architekten begrenzt, kann die Entstehung des Rechtsscheins einer Bevollmächtigung erschweren, wenn nicht gar ausschließen (vgl. BGH, IBR 1994, 447). So etwa die ausdrückliche Bestimmung, dass der Architekt nicht berechtigt sei, Stundenlohnarbeiten oder Nachträge zu beauftragen (OLG Brandenburg, IBR 2017, 64). Zu beachten ist schließlich, dass eine konkludente Genehmigung vollmachtlosen Handelns in Betracht kommt, wenn der Unternehmer die vollmachtlos beauftragten Zusatzarbeiten abrechnet und der Bauherr sie im Rahmen der Rechnungsprüfung vorbehaltlos „akzeptiert“ und bezahlt (zum nachträglichen Anerkenntnis auftragslos erbrachter Leistungen nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/B statt aller: OLG Düsseldorf, IBR 2015, 242; IBR 2024, 393).