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Themen

  • Unwirksame vertragliche Verkürzung der Verjährungsfrist
  • Bauvertrag ohne Einigung
  • Bedeutung der Schriftform für die Kündigung
  • Reinigung: Dienstleistung oder Werk nach VOL
  • Vergaberechtlicher Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Unwirksame vertragliche Verkürzung der Verjährungsfrist

Endlich hatte der BGH, Urteil 6.12.2012, VII ZR 15/12 für folgende Feststellung Gelegenheit:

Eine vom Auftraggeber in einem Bauvertrag gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung, mit der die Verjährungsfrist für den Werklohnanspruch des Auftragnehmers auf zwei Jahre abgekürzt wird, ist unwirksam, weil sie den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 BGB.

Denn das Gesetz sieht zumindest eine 3 Jahres Frist in § 195 BGB vor.

 Bauvertrag ohne Einigung

Gar nicht selten werden Bauleistungen erbracht, obwohl sich die Parteien bewusst oder unbewusst nicht über die vertraglichen Bedingungen diesbezüglich geeinigt haben. Wenn zumindest klar ist, was geleistet werden soll, würde dann der Einigungsmangel hinsichtlich der Vergütung nicht wirklich stören. Dies und die Bestimmung der Höhe der Vergütung entschied etwa das Landgericht Nürnberg-Fürth, 12.3.2012, 6 O 3415/07:

  1.  Ein Bauvertrag kann auch dann wirksam zustande kommen, wenn sich die Parteien nicht über einen bestimmten Werklohn geeinigt haben. Es muss dann nachgewiesen sein, dass der Besteller, der ein Vertragsangebot nicht angenommen, seinerseits ein Angebot unterbreitet hatte. Selbst wenn dies wiederum der Unternehmer ablehnt, spricht trotz des Einigungsmangels der Beginn und erst recht die Beendigung der Ausführung der vereinbarten Arbeiten.
  2.  Der Besteller schuldet in einem derartigen Fall den üblichen Werklohn, der zur Zeit des Vertragsschlusses für gleiche Leistungen am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt, § 632 Abs. 2 BGB

 Bedeutung der Schriftform für die Kündigung

Bei einer Vertragsklausel mit der Abrede der Schriftform für die Kündigung des Vertrages und der zusätzlichen Vereinbarung der besonderen Übersendungsart durch einen eingeschriebenen Brief, hat die Schriftform konstitutive Bedeutung im Sinne von § 125 Satz 2 BGB, während die Versendung als Einschreibebrief nur den Zugang der Kündigungserklärung sichern soll. Deswegen ist bei einer solchen Klausel regelmäßig nur die Schriftform als Wirksamkeitserfordernis für die Kündigungserklärung vereinbart, dagegen kann ihr Zugang auch in anderer Weise als durch einen Einschreibebrief wirksam erfolgen (vgl. LG Köln, 29.2.2012, 85 O 38/11). Ganz entsprechendes gilt für die Kündigungen im VOB/B – Vertrag wegen der dortigen Vereinbarung gemäß § 8 Abs. 5  und § 9 Abs. 2 VOB/B.

Reinigung: Dienstleistung oder Werk nach VOL

Verträge über die Reinigung von Gebäuden sind als Werkverträge und nicht als Dienstleistungsverträge zu qualifizieren, wenn die Erfolgsbezogenheit der zu erbringenden Leistungen im Vordergrund der vertraglichen Vereinbarungen steht (LG Köln, 10.1.2012, 5 O 51/11). Solche Gewerke sind also auch etwa abzunehmen und schlusszurechen; außerdem gelten die Mängelansprüche des Werkvertragsrechts etc.

Dennoch gilt die VOL und nicht etwa die VOB. Den die VOL regelt auch Werkverträge. Die VOB hingegen regelt nur Bauwerkverträge.

 Vergaberechtlicher Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

 OLG Schleswig, Beschluss vom 08.01.2013 – Az.: 1 W 51/12:

 Das OLG Schleswig bestätig den Primärrechtsschutz im Unterschwellenbereich im Wege der einstweiligen Verfügung und gestaltet den Bieterschutz weiter aus. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Antragstellerin, ein auf Edelstahl und Rohbauarbeiten spezialisiertes Unternehmen, bewarb sich neben anderen Bietern um die Sanierung eines Freibades. Hierzu gab sie ein Haupt- sowie ein Nebenangebot ab. Im Submissionstermin wurden die Angebote geöffnet und mittels Lochung gekennzeichnet. Dabei wurden zwei Angebote nicht gelocht und gekennzeichnet. Die Antragstellerin begehrte vor dem Landgericht die Untersagung der Zuschlagserteilung auf eines der nicht-gekennzeichneten Angebote. Das angerufene Landgericht wies, ebenso wie das im Wege der Beschwerde angerufene OLG Schleswig, den Antrag zurück.
Das OLG Schleswig führt aus, dass die Missachtung der Verfahrenspflichten zur Kennzeichnung und Bekanntgabe aus § 14 Abs. 3 Nr. 2 VOB/A keine eigenständige Bieterrechtsverletzung darstellt. Jedoch können Bieter unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf chancengleichen Wettbewerb beanspruchen, dass nur vollständige Angebote am weiteren Vergabeverfahren teilnehmen. Die aus § 14 Abs. 3 VOB/A folgenden Pflichten gewinnen daher erst im Zusammenhang mit der Prüfung von Ausschlussgründen nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A eine bieterschützende Bedeutung. Unterbleibt die Kennzeichnung und/oder Bekanntgabe, kann dies die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen beeinflussen. Die Kennzeichnungs- und Bekanntgabevorschriften sollen den Beweis darüber erleichtern, was zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung in das Vergabeverfahren eingebracht wurde. Werden diese Pflichten verletzt, stellen sie für sich genommen jedoch keine eigene Bieterrechtsverletzung dar. Voraussetzung für einen Verfügungsanspruch sei das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte und nicht bloß eine theoretische Möglichkeit für eine Manipulation der Angebote.

Anmerkung:
Die Entscheidung bestätigt die Tendenz zur uneinheitlichen Rechtsprechung der Gerichte zur Frage des Primärrechtschutzes im Unterschwellenbereich. Je nach Bundesland wird er den Bietern mit unterschiedlichen Begründungsansätzen gewährt oder in Gänze abgelehnt (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 17. Dezember 2007 – 13 W 79/07). Aus dem Blickwinkel der Bieter sieht Rechtssicherheit und –klarheit anders aus. An dieser Stelle ist der Gesetzgeber gefordert, mit klaren gesetzlichen Vorgaben eine divergierende Rechtsprechung, im ohnehin stark zersplitterten Vergaberecht, zu verhindern.

 „Abforderungsfristen“ der Vergabestellen sind zulässig

VK Bund, 05.10.2012 – VK 3-114/12:

Die dritte Vergabekammer des Bundes hat mit Beschluss vom 05.10.2012 sogenannte „Abforderungsfristen“ der Vergabestellen, also Fristen innerhalb derer die Vergabeunterlagen von Bietern abgefordert werden müssen, ausdrücklich für zulässig erklärt und sich damit gegen die Entscheidung der Vergabekammer Sachsen aus dem gleichen Jahr gestellt (VK Sachsen, Beschluss vom 19.04.2012 – 1/SVK/009-12).

Im entschiedenen Fall, hat die Vergabestelle im Rahmen eines offenen VOL/A-Verfahrens in der Vergabebekanntmachung eine Frist zur Abforderung der Vergabeunterlagen durch die Bewerber gesetzt. Diese Frist war um etwa vier Wochen! kürzer bemessen als die Angebotsfrist. Der lange Zeitraum zwischen Abfordern der Vergabeunterlagen und Ablauf der Angebotsfrist sei nach Auffassung der Vergabestelle notwendig gewesen, um die vorgesehenen Ortbesichtigungen zu organisieren. Außerdem habe man den Bietern ausreichend Zeit einräumen wollen, damit diese die Ergebnisse der Ortsbesichtigungen bei der Angebotserstellung berücksichtigen können.

Die Vergabekammer des Bundes folgte der Argumentation der Vergabestelle. Auf den Einwand des Antragstellers, dass keine Bestimmung der EG-VOL/A die Möglichkeit zur Fristsetzung für das Abfordern von Vergabeunterlagen vorsähen, verwies die Kammer auf das Muster für Bekanntmachungen oberhalb der EU-Schwellenwerte (RL 2004/18/EG, Anhang VII), dass unter Teil A, Nr. 11 lit. b) ein Feld für eine Frist vorsieht „bis zu der die Unterlagen angefordert werden können“. Hieraus folge – so die Vergabekammer –, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber „Abforderungsfristen“ für zulässig erachte.

Die Zulässigkeit von „Abforderungsfristen“ folge aus § 12 Abs. 7 EG VOL/A, wonach öffentliche Auftraggeber, die die Vergabeunterlagen und alle zusätzlichen Unterlagen nicht elektronisch zur Verfügung stellen, die betreffenden Unterlagen nur dann innerhalb von 6 Tagen nach Eingang des Antrags an die Unternehmen absenden müssen, wenn diese die Unterlagen „rechtzeitig“ angefordert haben.

 Anmerkung:
Die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes überzeugt nicht. Die Kammer verkennt, dass die frühestmögliche Versendung der Vergabeunterlagen vor Ablauf der Angebotsfrist allein den Interessen der betroffenen Bieter dient, indem diese ausreichend Zeit zur Erstellung ihrer Angebote erhalten. Ob die Bieter diese Möglichkeit in Anspruch nehmen, bleibt mithin deren Sache, wie die Vergabekammer Sachsen im Beschluss vom 19.04.2012 zutreffend feststellte („Wenn also der Bieter der Auffassung ist, ein wettbewerbsfähiges Angebot auch noch in wesentlich kürzerer Zeit zu erstellen, so ist ihm dies zuzugestehen.“  – VK Sachsen, Beschluss vom 19.04.2012 – 1/SVK/009-12).
Im Übrigen laufen „Abforderungsfristen“ im Ergebnis auf eine „verdeckte“ Verkürzung der Angebotsfristen hinaus. Den Bietern steht es frei, die Angebotsfristen voll auszuschöpfen. Hierzu gehört auch, dass die Vergabeunterlagen, die zur Erstellung des Angebotes notwendig sind, innerhalb der Angebotsfrist und nicht bereits lange vor Ablauf derselben abgefordert werden können.

Bedeutung für die Praxis:
Öffentlichen Auftraggebern ist trotz der Entscheidung der Vergabekammer des Bundes zu empfehlen, weiterhin auf die Festlegung einer Frist zum Abfordern der Vergabeunterlagen zu verzichten. Denn die Rechtslage bleibt nicht nur aufgrund der entgegenstehenden Entscheidung der Vergabekammer Sachsen unklar. Die Vergabekammer Bund hat in der zitierten Entscheidung die Zulässigkeit der Länge der „Abforderungsfrist“, insbesondere in Bezug auf den zeitlichen Abstand zum Ende der Angebotsfrist, von Umständen den Einzelfalls abhängig gemacht, die keineswegs pauschal auf andere Vergabeverfahren übertragen werden können.